Kurze Erforschungsgeschichte der Flora Österreichs

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Der bedeutende Erforscher der Natur Kärntens (und auch Krains) Franz Xaver von Wulfen (1728–1805), Jesuit, Professor für Mathematik, Physik, Philosophie in Görz, Wien, Laibach, besonders aber lange Zeit in Klagenfurt, verfasste u. a. (1778–1790) „Plantae rariores carinthiacae“ (Seltenere Kärntner Pflanzen) und hinterließ uns die erst postum im Jahre 1858 veröffentlichte „Flora Norica phanerogama“ (ed. E. Fenzl & R. Graf); sein Name ist uns geläufig nicht nur von der Kärntner Nationalblume Wulfenia carinthiaca, sondern ebenso von Arten wie Alyssum wulfenianum, Androsace wulfeniana, Primula wulfeniana, Sempervivum wulfenii; außerdem ist er der Entdecker und Erstbeschreiber (nomenklatorische Autor) mehrerer Arten, wie z.B. Androsace chamaejasme, Campanula zoysii, Comastoma nanum (als Gentiana nana), Dianthus sylvestris, Draba fladnizensis (nach einem Kärntner Dorf benannt), Lomatogonium carinthiacum (als Swertia carinthiaca), Oreochloa disticha (als Poa disticha), Pedicularis rosea, Primula villosa, Ribes petraeum, Saxifraga moschata, Saxifraga tenella, Noccaea praecox (als Thlaspi praecox), Vicia oroboides, Viola calcarata subsp. zoysii (als Viola zoisii). Nach ihm ist auch die Fachzeitschrift Wulfenia benannt.

Aus der Feder von Joseph Karl (C.) Maly (1797–1866), einem in Prag gebürtigen und u. a. in Graz wirkenden Arzt und Botaniker, stammen die ersten steirischen Floren: (1838) „Flora Styriaca“ und (1867–1869) „Flora von Steiermark“ (ed. R. L. Maly) sowie (1848) „Enumeratio plantarum phanerogamicarum imperii Austriaci universi“ (Aufzählung der phanerogamischen Pflanzen des gesamten österreichischen Kaiserreichs). Mit ihm beginnt die fruchtbare Zeit der floristischen Erforschung der damaligen Kronländer Österreichs; in rascher Folge erscheinen nun neue Floren:
Carl (= K.) Joseph Kreutzer: „Prodromus florae Vindobonensis“ (1840), „Taschenbuch der Flora Wiens“ (1. Aufl. 1852, 2. Aufl.: 1864). – Franz Seraphin Sailer (1792–1847; Pfarrer in Linz und Umgebung): (1841) „Die Flora Oberöstreichs“. – Georg Dolliner: (1842) „Enumeratio plantarum phanerogamicarum in Austria inferiore crescentium“ (Aufzählung der in Niederösterreich wachsenden phanerogamischen Pflanzen); nach ihm benannt ist Thesium dollineri. – An Franz von Portenschlag-Ledermayer (1772–1822), der der Botanik zuliebe seine Rechtsanwaltskarriere aufgab und die ganze Monarchie, besonders Dalmatien erforschte, erinnert u. a. die prächtige, nordostalpisch-endemische Pedicularis portenschlagii.

Der höchst verdienstvolle August Neilreich (1803–1871), hauptberuflich (1828–1856) Jurist im Justizdienst (Oberlandesgerichtsrat in Wien), begründete die modernere, kritische floristische Forschung mit seiner 1846 in 1. Auflage erschienenen „Flora von Wien. Eine Aufzählung der in den Umgebungen Wiens wild wachsenden oder im Grossen gebauten Gefässpflanzen nebst einer pflanzengeografischen Übersicht“; 1859 folgte die „Flora von Nieder-Oesterreich“; an diesen hervorragenden Botaniker erinnern etwa Asperula neilreichii, der Lokalendemit des Alpenostrandes Dianthus plumarius subsp. neilreichii sowie die Fachzeitschrift Neilreichia.

Franz von Hausmann zu Stetten (1810–1878) verfasste 1851–1854 die 1614 Seiten umfassende erste „Flora von Tirol. Ein Verzeichnis der in Tirol und Vorarlberg wildwachsenden und häufiger gebauten Gefäßpflanzen“; ihm zu Ehren benannt ist Androsace hausmannii. Die „Flora Tiroliae cisalpinae“ (Flora von Südtirol) von Francesco Facchini (1788–1852) wurde postum 1855 von Hausmann herausgegeben.

Die Brüder Rudolph Hinterhuber (1802–1892) und Julius H. Hinterhuber (1810–1880), beide Apotheker, verfassten gemeinsam: (1851) „Prodromus einer Flora des Kronlandes Salzburg“; 2. Aufl. (1879): J. Hinterhuber & (M.) F. Pichlmayr: „Prodromus einer Flora des Herzogthumes Salzburg und der angrenzenden Ländertheile“.

Das Verdienst, die erste Kärntner Landesflora geschrieben zu haben, gebührt Eduard von Josch (1799–1874; Senatsgerichtspräsident in Klagenfurt): Die Flora von Kärnten (1853).

Die Brüder Lorinser schufen eine über lange Zeit beliebte Exkursionsflora: Gustav L. Lorinser (böhmischer Arzt und Botaniker, 1811–1863): (1854) „Botanisches Excursionsbuch für die deutsch-österreichischen Kronländer und das angrenzende Gebiet“, 1. Aufl. (384 S.); ab der 3. Aufl. (1871) herausgegeben von seinem Bruder Friedrich Wilhelm Lorinser (1817–1895, „Landes-Sanitätsrath“ in Wien); 4. Aufl.: 1877, 5. Aufl.: 1883 (565 S.).

Christoph Brittinger (1795–1869; Apotheker in Steyr): (1862) „Flora von Ober-Österreich oder systematische Uebersicht aller in diesem Kronlande wildwachsenden oder im Freien gebauten Samenpflanzen“; nach ihm benannt: Persicaria lapathifolia subsp. brittingeri. – Johann Nepomuk Bayer (1802–1870; Generalinspektor der Staatseisenbahnen in Steyr): (1869) „Botanisches Exkursionsbuch für das Erzherzogthum Österreich ob und unter der Enns“.

Anton Eleutherius Sauter (1800–1881), Botaniker und Arzt u. a. in Salzburg, Kitzbühel, Bregenz, Zell am See, Mittersill, Steyr, schrieb 1866–1879 eine „Flora des Herzogthumes Salzburg“, die auch die Kryptogamen behandelt; 2. Aufl. (1879): „Flora der Gefäßpflanzen des Herzogthums Salzburg“; ihm gewidmet ist Draba sauteri sowie die Schriftenreihe Sauteria.

„Die Flora von Oberösterreich“ (1870–1885) von Johann Duftschmid (1804–1866; Arzt in Linz) und die dazu eine Ergänzung bildende „Systematische Aufzählung der im Erzherzogthume Österreich ob der Enns bisher beobachteten samenlosen Pflanzen (Kryptogamen)“ (1872) von J. S. Poetsch & Karl (C.) B. Schiedermayer ist bis heute die letzte vollständige Landesflora Oberösterreichs.

In Kärnten setzte der Priester David Pacher (1816–1902); u. a. Pfarrer in Tröpolach und Tiffen und zuletzt Dechant in Obervellach, Wulfens und Joschs Arbeiten fort, gekrönt von einer mehrbändigen Landesflora (D. Pacher & M. v. Jabornegg: „Flora von Kärnten“ bzw. „Systematische Aufzählung der in Kärnten wildwachsenden Gefässpflanzen“ publiziert in mehreren Teilen, 1881–1887; Nachträge 1894); Draba pacheri und Taraxacum pacheri sind nach ihm benannt.

Einer der wissenschaftlich bedeutendsten und fruchtbarsten österreichischen Botaniker ist zweifellos Anton Kerner von Marilaun (1831–1898), Gymnasialprofessor in Budapest, Direktor der botanischen Gärten in Innsbruck und Wien, Vorläufer einer evolutionsbiologisch und ökologisch orientierten Taxonomie und auch einer der Begründer der Geobotanik (Pflanzengeographie); er schrieb zwar keine Flora, aber ein sehr geschätztes halbpopuläres Botanik-Lehrbuch („Pflanzenleben“, 1890–1891) und das berühmte (1863) „Pflanzenleben der Donauländer“; er erforschte zahlreiche Taxa und entdeckte viele neue Sippen, z.B. Alyssum ovirense, Dianthus pontederae, Erigeron neglectus, Euphorbia polychroma, Euphorbia austriaca, Loncomelos pyrenaicus subsp. sphaerocarpus (als Ornithogalum sphaerocarpum), Pedicularis elongata, Phyteuma confusum, Pulmonaria stiriaca; ihm gewidmet sind Alchemilla kerneri, Crepis jacquinii subsp. kerneri, Euphrasia kerneri, Myosotis decumbens subsp. kerneri, Papaver alpinum subsp. kerneri, Pedicularis kerneri, Pulmonaria kerneri, Rumex kerneri. (Die Cruciferen-Gattung Kernera ist nach dem älteren, deutschen Botaniker Johann Simon von Kerner benannt.)

Zahlreiche floristische und taxonomische Beiträge (z.B. über Hieracium, Quercus, Rosa, Veronica, Viola, Viscum) verdanken wir dem Jesuitenpater Johann Baptist Wiesbaur (1836–1906).

Der böhmisch-österreichische Botaniker Günther Beck von Mannagetta und Lerchenau (1856–1931), Universitäts-Professor in Wien und Prag, verfasste zunächst (1884) die „Flora von Hernstein in Niederösterreich und der weiteren Umgebung“, die als Vorläufer seiner späteren (1890–1893), umfangreichen, 3-bändigen „Flora von Nieder-Österreich“ anzusehen ist; Campanula beckiana erinnert an diesen Forscher, der u. a. auch eine Flora Bosniens und der Herzegowina verfasste.

Die erste Auflage des Schulbestimmungsbuchs von Anton Schwaighofer, das allerdings keine richtige Flora ist, weil es nur eine bescheidene, didaktisch motivierte Auswahl bringt, erschien 1887: „Tabellen zur Bestimmung einheimischer Samenpflanzen und Gefäßsporenpflanzen. Für Anfänger, insbesondere für den Gebrauch beim Unterricht“ (18. Aufl.: 1916; 36. Aufl. („Pflanzen der Heimat“), bearb. v. Karl Fritz Schwaighofer): 1946; 44. Aufl.: 1972).

Heinrich Moritz Willkomm behandelt die meisten „cisleithanischen“ Kronländer in seiner weit verbreiteten „Schulflora von Österreich“ (1888; 2. Aufl.: 1892); darüber hinaus ist er auch Erstautor der wichtigen Flora Spaniens „Prodromus florae hispanicae ...“ (1870–1880).

Der bedeutende Erforscher der griechischen Flora Eugen von Halácsy (1842–1913), Arzt und Botaniker in Wien und in Athen, schuf (1896) die „Flora von Niederösterreich. Zum Gebrauche auf Excursionen und zum Selbstunterricht“, eine handliche, einbändige Exkursionsflora, die auch dem heutigen Floristen in diesem Land noch gute Dienste leistet und eindrucksvoll erlaubt, die Veränderungen der Flora seither aufzuzeigen.

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Weiterführende Literatur

Klemun M. & Fischer M. A. (2001): Von der „Seltenheit" zur gefährdeten Biodiversität (Aspekte zur Geschichte der Erforschung der Flora Österreichs). – Neilreichia 1: 85–131.


Autor: Manfred A. Fischer. Auszug aus der 3. Auflage der „Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol" (2008), leicht verändert und aktualisiert von Clemens Pachschwöll und Stefan Lefnaer im Oktober 2022.


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Letztes Update: 25.04.2024